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Seit einiger Zeit steht oben auf unserer Webseite folgender Text zur Rechtslage bei der Immunität:
Die Verwendung der Laborergebnisse, die Anerkennung als Immunitätsnachweis, und damit die gesamte Rechtslage zum Thema Immunität, ist ein wesentliches Anliegen unserer Webseite. Und auch der bald online gehenden zweiten Webseite „ich-bin-schon-immun.de“ [kein Link – da noch offline].
Insofern ist es an der Zeit für ein paar gründlichere Gedanken zur Rechtslage.
2012 sprach das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in Sachen Schulbetretungsverbot wegen Masern ein Urteil (3 C 16.11, 2). Dieses Urteil wird seit 2020 wieder sehr viel zitiert. Im 2. Leitsatz heißt es dort:
„Eine Person ist ansteckungsverdächtig im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG, wenn die Annahme, sie habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil.“
Dieser Leitsatz ist bis heute gültig und er wird vielfach zitiert: auf dejure.org finden sich 670 Gerichtsentscheidungen, die aus dem Urteil zitieren.
Eine Unterscheidung von Menschen nach lediglich „geimpft, getestet, genesen“ ist mit diesem Leitsatz nicht zu vereinbaren. Es fehlt schlicht „gesund“! Entweder, als eigenständiger Wert (wie es bis 2019 normal war) oder mit den aktuellen Einschränkungen, dann aber immer noch entsprechend den vom BVerwG geforderten Grundsatz, dass eine Annahme zum Gesundheitszustand „wahrscheinlicher als das Gegenteil“ sein muss.
Und bei allen epidemiologischen Phasen der letzten eineinhalb Jahre war es zu jeder Zeit und für jeden Menschen epidemiologisch wahrscheinlicher, dass er gesund ist, als dass er asymptomatisch ist.
Am 08. Mai 2021 trat die ’Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19’ (kurz: SchAusnahmV) in Kraft.
Gleich zu Beginn, Abschnitt 1, §1, Absatz 1, heißt es:
„Zweck dieser Verordnung ist es, Erleichterungen und Ausnahmen von Geboten und Verboten […] für Personen zu regeln, 1. bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist oder 2. die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorlegen können“
Die Eigenschaft, dass ’von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen’ sei, ist ein sog. unbestimmter Rechtsbegriff.
Verwendet der Gesetz- oder hier: Verordnungsgeber einen Begriff, der ’wertausfüllungsbedürftig’ ist, dann „kommt es dem Gesetzgeber darauf an, künftige konkrete Entwicklungen in der Alltagspraxis nicht von vorneherein […] auszuschließen und/oder der Rechtsprechung […] die Konkretisierung der unbestimmten Begriffe zu überlassen.“
Der Rechtsbegriff, dass ’von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen’ sei, kommt in der Verordnung kein weiteres Mal vor. Er steht also unwidersprochen, nicht weiter ausgelegt, nicht definiert und also mangels weiterer Ausführungen uneingeschränkt am Anfang der Verordnung.
Einschränkend ist allerdings hinzuzufügen, dass der Begriff des „anzunehmend Immunisierten“ schon im Titel von § 3 nicht mehr erscheint: „Gleichstellung von geimpften Personen und genesenen Personen mit getesteten Personen“.
Damit sehen wir uns – und Sie alle – vor der gesellschaftlichen Aufgabe, dafür zu sorgen, dass nicht ausgeschlossen wird, dass es andere gesundheitsrelevante Zustände als „geimpft, getestet“ oder „genesen“ gibt.
Deshalb ist es wichtig, dass der Begriff „Immunisierung“ eine Konkretisierung erfährt und zwar durch die Ergänzung der ’T-Zellen basierten Immunität’.
Argumentative Unterstützung kommt hier vom Robert-Koch-Institut, das am 10. Juni 2021 sein ’Epidemiologisches Bulletin 23/2021’ veröffentlichte, unter anderem mit der ’6. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung’ der STIKO:
„Ungeimpfte rekonvaleszente Personen weisen eine breite B- und T-Zell-Immunantwort auf, die sowohl neutralisierende Antikörper als auch Helfer-, Effektor- und Gedächtnis-T-Zellen umfasst, unter anderem gegen das Spike- und Nukleokapsid-Protein von SARS-CoV-2 gerichtet ist und für mindestens 9 Monate anhält (längster berichteter Beobachtungszeitraum*). […] Diese Befunde deuten darauf hin, dass eine durchgemachte Infektion (plus ggf. eine zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführte Impfung) zu einer robusten und breiten SARS-CoV-2-spezifischen Immunantwort führt.“
Die Wissenschaft weiß, dass eine durchgemachte Infektion mit Humanen Coronaviren (HCoVs, d.h OC43, HKU1, NL63 und 229E), SARS, MERS oder CMV oder Betacoranaviren zu einer – durch kreuzreaktive T-Zellen vermittelten – ebenfalls breiten und robusten Immunität führt. Siehe hierzu die Studien zur Kreuzimmunität auf unserer Webseite.
Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse sind es, die (nach guter Tradition der Rechtsprechung) in dem unbestimmten Rechtsbegriff der anzunehmenden Immunisierung Eingang finden sollten.
Daran arbeiten wir. Zusammen mit Ihnen.
Sobald es mehr als erste einzelne Ergebnisse der Anerkennung der T-Zellen-basierten Immunität gibt, berichten wir darüber. Erste positiv stimmende Ergebnisse gibt es bereits, diese sind aber nur anekdotisch.
Ausblick für Pessimisten:
„Für den Beschwerdeführer kommen deshalb die Ausnahmen nach der Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung nicht zur Anwendung. Daran ändert auch nichts, dass er nach wie vor über ausreichend neutralisierende Antikörper gegen das Coronavirus im Blut verfügt und das mittels eines aktuellen Nachweises auch belegen kann.“
– BVerfG, aus der Pressemitteilung zum Nichtannahmebeschluss 1 BvR 1260/21 einer Verfassungsbeschwerde
Ausblick für Optimisten:
„Die STIKO spricht sich explizit dagegen aus, dass der Zugang zur Teilhabe an Bildung, Kultur und anderen Aktivitäten des sozialen Lebens vom Vorliegen einer Impfung abhängig gemacht wird.“
– 6. Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung der STIKO, in: Epidemiologisches Bulletin 23/2021, S. 29